Sitzung: 29.05.2017 JuHi/011/2017
Beschluss: Mit Debatte - einstimmig -
Abstimmung: Ja: 12, Nein: 0, Anwesend: 12
Vorlage: A.21/036/2017
I. Zusammenfassung
Kinder und Jugendliche haben das Recht, geborgen und gesund aufzuwachsen. Der Auftrag
des Jugendamtes ist es, für den Schutz von Kindern und Jugendliche zu sorgen.
Das heißt, in Fällen einer möglichen Kindeswohlgefährdung die Situation zu
klären und mögliche Gefahren abzuwenden. Gesetzliche Grundlage für diese
Aufgabe des Jugendamtes ist insbesondere § 8a SGB VIII, der dem Jugendamt die
Aufgabe zuweist, gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung eines Kindes oder
Jugendlichen einzuschätzen, die Umstände mit den Erziehungsberechtigten zu
klären, und den Erziehungsberechtigten im Bedarfsfall Hilfen anzubieten. Unter
Umständen kann beim Vorliegen einer dringenden Gefahr für das Kind eine
Inobhutnahme durch das Jugendamt erfolgen.
II. Sachvortrag
Um das Wächteramt ausreichend erfüllen zu
können, ist der Familienunterstützende Dienst (FuD) darauf angewiesen, Kenntnis
von einer möglichen Kindeswohlgefährdung zu erlangen. Jede Meldung wird
vertraulich behandelt, um den Schutz auch der Melder/Melderin gewährleisten zu
können. Melder/Melderin können sowohl Einzelpersonen sein, als auch Schulen,
Kindertagesstätten oder Ärzte.
Im Jahr 2016 gingen beim FuD insgesamt 46
Meldungen/Mitteilungen ein, davon 33 Meldungen per Telefon, 8 Meldungen
schriftlich und 5 Meldungen persönlich. Zwei Meldungen davon waren anonym. 16
Meldungen kamen von Bekannten, Nachbarn oder Verwandten, 10 von anderen
Einrichtungen, 7 von Schulen, 3 von Polizei/Gericht und 2 aus dem Gesundheitsdienst. Insgesamt
waren 68 Kinder betroffen. Es handelte sich um gewichtige Anhaltspunkte
bezüglich Vernachlässigung (21), körperliche Misshandlung (18), seelische Misshandlung
(11), häusliche Gewalt (8), Drogenmissbrauch (5), sexuelle Gewalt (2); es sind
hier Mehrfachnennungen möglich.
Die Bearbeitung von Meldungen über eine
mögliche Kindeswohlgefährdung erfolgt nach einer gemeinsam erarbeiteten und
verbindlichen Handlungsanweisung, welche durch das Computerprogramm OK KIWO
begleitet wird. Grundsätzlich geht der
Familienunterstützende Dienst jeder Meldung, jedem Hinweis nach. Nach der
ersten Gefährdungseinschätzung im Team wird eine Einschätzung getroffen, ob
- eine akute Gefährdung vorliegen könnte, die ein sofortiges Handeln
erfordert;
- Anhaltspunkte für eine Gefährdung vorliegen, die kein sofortiges
Eingreifen, aber eine zügige Veränderung der Situation für das Kind
erforderlich erscheinen lässt;
- Anhaltspunkte für Gefährdungen vorliegen, die ein umgehendes Handeln
noch nicht, jedoch eine Beobachtung der Gefährdungslage erforderlich
erscheinen lassen;
- eine Gefährdung des Kindeswohls nicht gegeben ist.
Wenn eine akute Kindeswohlgefährdung nicht
ausgeschlossen werden kann, wird in der Regel ein Hausbesuch durchgeführt bzw.
eine Abklärung der Situation in Schule/Kita usw. Hier gilt das
Vier-Augen-Prinzip, d.h. dass immer zwei Kolleginnen einen erforderlichen Hausbesuch
durchführen. Nach diesem Erstkontakt und der Klärung der Situation müssen
weitere Entscheidungen getroffen werden, um das Wohl des Kindes zu schützen.
Wenn es notwendig ist, wird mit der Familie und evtl. dem Umfeld ein Schutzkonzept erarbeitet. Dies beinhaltet in den meisten
Fällen ein Beratungsangebot durch den FuD oder andere Beratungsstellen, in
einigen Fällen wird eine ambulante oder auch stationäre Hilfe eingeleitet.
Wenn die Situation es erfordert, muss ein
Kind unter Umständen auch in Obhut genommen werden (3 Fälle im Jahr 2016). Das
bedeutet konkret, dass das Kind den Eltern entzogen wird, und zumindest
vorübergehend bei Pflegeeltern oder in einer Einrichtung untergebracht wird.
Wenn auf Grund der akuten Situation der ausreichende Schutz des Kindes in der
Familie nicht gewährleistet werden kann,
und die Eltern der Inobhutnahme nicht zustimmen, muss auf Grund der
gesetzlichen Vorgaben unverzüglich das Familiengericht angerufen werden.
Seitens des Familiengerichtes ist dann eine Entscheidung zu treffen, über die
Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme durch das Jugendamt.
Die Übernahme des Wächteramtes durch das
Jugendamt, vor allem durch den FuD, fordert von den Mitarbeiterinnen ein hohes
Maß an Professionalität und Verantwortung ein. Die Bearbeitung von Meldungen
möglicher Kindeswohlgefährdung geht immer vor, das heißt, die Mitarbeiterinnen
müssen sehr flexibel mit oftmals nicht einzuschätzenden Situationen umgehen. Es
ist im Regelfall nicht absehbar, welche
konkrete Situation vor Ort angetroffen wird.
Auch der zeitliche Aspekt ist nicht einschätzbar.
Die Mitarbeiterinnen des FUD müssen vor Ort,
mit unter Umständen unvollständigen Informationen Entscheidungen treffen, die
sehr stark in das Leben einer Familie
eingreifen. Das erzeugt oftmals einen
immensen Druck auf die Mitarbeiterinnen. Die Frage, ob nichts übersehen
wurde, und die Angst, dass unter
Umständen ein Kind zu Schaden kommt, obwohl zeitnah und fachlich korrekt
gearbeitet wurde, gehört hierbei zum Alltag der Arbeit beim FuD.
Dient zur Kenntnisnahme!